Bußgelder an gemeinnützige Organisationen? Wie Saarbrücken am Blitzen nichts verdienen soll
Die Forderung
Der politische Sprengsatz kommt kurz vor Schluss. Er steht auf Seite acht des Änderungsantrags der FDP-Stadtratsfraktion zum städtischen Haushalt 2018. Unter der Überschrift „Soziale Gerechtigkeit“ fordern die beiden FDP-Stadtverordneten Karsten Krämer und Tobias Raab ihre 61 Stadtratskolleginnen und -kollegen auf zu beschließen, „dass Gewinnerlöse aus Verkehrsbußgeldern an wohltätige Organisationen abzuführen sind“.
Im Klartext heißt das: Das Geld, dass die Stadt von Autofahrern, die zu schnell sind oder falsch parken, kassiert, soll nicht mehr komplett in die Stadtkasse fließen. Alles was nach Abzug der Personal- und Sachkosten übrigbleibt, soll Saarbrücker Vereinen oder Opferschutzorganisationen zugute kommen. „Da Verkehrsbußgelder der Verkehrssicherheit dienen, stellen sie keine legitime Einnahmequelle der Verwaltung dar“, argumentiert die FDP.
Sie bezieht sich dabei auch auf Aussagen des Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa. Der hat nicht nur gefordert, „die Zahl der Bußgeldverfahren wegen Tempoverstößen deutlich zu reduzieren“. Er schlägt auch vor, dass „Bußgelder nicht mehr den Kommunen zugutekommen, sondern gemeinnützigen Organisationen.“
Kritik an Blitzern
So sieht das auch die Stadtrats-FDP, die bei der Aufstellung einiger stationärer Blitzer in Saarbrücken bereits Zweifel angemeldet hatte, ob die Kontrollen wirklich der Verkehrssicherheit dienen und nicht nur dazu da sind, die Stadtkasse zu bedienen. Insbesondere die Kontrolle in der Camphauser Straße stieß auf massive Kritik der Liberalen. Sie sprachen immer wieder von „Abzocke“.
Dem hat die Stadtverwaltung immer widersprochen. So auch jetzt dem FDP-Antrag zu den Haushaltsberatungen im Stadtrat. Dem neuen Vorschlag der FDP-Fraktion, teilte Stadtsprecher Robert Mertes gestern auf Anfrage mit, „stehen die rechtlichen Rahmenbedingungen entgegen“. Die Saarbrücker Stadtverwaltung habe wie andere Städte und Gemeinden auch überhaupt keinen Entscheidungsspielraum, sagt er.
Stadt hält dagegen
Die Stadt Saarbrücken müsse „die Einnahmen, die sie bei Ausführung ihr gesetzlich übertragener staatlichen Aufgaben generiert, zur Deckung der dadurch entstehenden Ausgaben einsetzen“, sagt er. Dazu gehören nach juristischer Bewertung durch die Stadt „die Einnahmen aus Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit“.
Für den städtischen Haushalt gelte außerdem „das Gesamtdeckungsprinzip“. „Das bedeutet“, erklärt Mertes, „dass alle Erträge alle Aufwendungen decken sollen“. Der Teilhaushalt „Allgemeine Sicherheit und Ordnung“ weise trotz der Einnahmen aus Verwarn- und Bußgeldern ein Defizit von 2,6 Millionen Euro aus. Es gebe also gar keinen Überschuss, „den man auch bei Nichtbeachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen anderweitig verteilen könnte“.
Der Haushaltsposten „Allgemeine Sicherheit und Ordnung“ umfasst allerdings mehr als nur die Verkehrsüberwachung. Darin enthalten ist die komplette Arbeit des Ordnungsamts, also zum Beispiel auch der kommunale Ordnungsdienst, der unter anderem im Blick hat, dass Wirte ihre Stühle nicht zu weit auf den Markt stellen, Händler ordnungsgemäß mit Werbeschildern umgehen oder dass Hundehalter die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner entfernen.
Die stationären Blitzer bringen der Stadt allerdings durchaus ein Plus. Bei der Haushaltsplanung 2017 hat die Stadt gut eine Million Euro an Einnahmen kalkuliert. Demgegenüber standen Ausgaben in Höhe von rund 520 000 Euro. „Wir erwarten demnach einen Überschuss von rund 500 000 Euro“, hatte Bürgermeister und Finanzdezernent Ralf Latz (SPD) Ende vergangenen Jahres angekündigt.
Mit Verwendung von SZ-Material (Martin Rolshausen).