Spiegel: Bundeswehr lagert im Saarland gefährliche Raketen, aus denen hochexplosiver Stoff austritt

Laut einem Bericht des "Spiegel" hat die Bundeswehr ein "hochexplosives Problem" aus dem Kalten Krieg. So sollen in verschiedenen Depots über 32.000 alte Raketen lagern, die hochexplosives Nitroglycerin absondern. Eines dieser Lager soll sich demnach auch im Saarland befinden. Das könnte zu einer ernstzunehmenden Gefahr für die saarländische Bevölkerung werden:
Im Saarland sind alte Bundeswehr-Rakten gelagert, aus denen Nitroglycerin austritt. Symbolfoto: Carsten Rehder/dpa
Im Saarland sind alte Bundeswehr-Rakten gelagert, aus denen Nitroglycerin austritt. Symbolfoto: Carsten Rehder/dpa

Hochexplosive Raketen im Saarland gelagert?

Laut einem Bericht des „Spiegel“ lagern in sechs verschiedenen Munitionsdepots der Bundeswehr über 32.000 alte Raketen, die ein Sicherheitsproblem darstellen, da aus ihnen hochexplosives Nitroglycerin austritt. Laut dem Medienbericht befindet sich eines dieser Lager im Saarland. So sollen sich die betroffenen Depots laut „Spiegel“ in Meppen, Wulfen, Nörvenich, Köppern, Wermutshausen und eben im saarländischen Eft-Hellendorf (Gemeinde Perl) befinden.

Raketen im Saarland als potenzielles Sicherheitsproblem für die Bevölkerung

Die gelagerten Raketen könnten demnach ein Sicherheitsproblem für die saarländische Bevölkerung werden. Aus der alten Munition vom Typ „LAR 110 Millimeter“ trete explosives Nitroglycerin aus, es drohe die Selbstentzündung, schreibt der „Spiegel“. Das Nachrichtenmagazin zitiert in seinem Bericht aus einem vertraulichen Sachstandsbericht des Verteidigungsministeriums vom September 2021. In diesem heißt es unter anderem, dass alle betroffenen Munitionslager bis auf Weiteres und „bis zum Erlass weiterer Vorgaben“ gesperrt und „jeglicher Umgang mit dieser Munition untersagt“ sei.

Problem soll seit Jahren bekannt sein

Laut dem Bericht des „Spiegel“ soll das „hochexplosive Problem“ bereits seit 2019 bekannt sein. Die Expert:innen des Verteidigungsministeriums schreiben in dem vertraulichen Sachstandsbericht auch, dass bei weiterer Lagerung der Munition mit einer zunehmenden Verschlechterung des Zustands zu rechnen sei.

Bisher besteht kein tragfähiges Entsorgungskonzept

Trotz dieser Warnungen habe das zuständige Koblenzer Beschaffungsamt (BAAINBw) bislang kein tragfähiges Entsorgungskonzept erbracht. Darüber soll sich der Munitionsbeauftragte der Bundeswehr bereits im vergangenen August 2021 beim Verteidigungsministerium beschwert haben. Zu diesem Zeitpunkt, rund einen Monat vor der Bundestagswahl, war noch Annegret Kramp-Karrenbauer zuständige Verteidigungsministerin.

Bundeswehr hat kaum Kapazitäten für die Vernichtung

Was das Problem zusätzlich verschärfe, sei laut „Spiegel“-Informationen, dass der Transport der Raketen untersagt wurde. Zwar werde eine Vernichtung der Raketen geprüft. Aber die Bundeswehr verfüge nicht annähernd über ausreichend Kapazitäten. So könnten auf einem Sprengplatz der Bundeswehr jährlich lediglich maximal 70 Einzelvernichtungen durchgeführt werden. Auch die bundeseigene Kampfmittelentsorgungsfirma Geka in Munster (Niedersachsen) könnte im Zeitraum von März bis September 2022 lediglich 21 der Raketen vernichten. Bei insgesamt 32.641 Raketen ist dies also kaum nennenswert.

Saar-Grünen und Saar-Linke verlangen umgehende Aufklärung von Landesregierung

Derzeit ist noch nicht bekannt, ob und seit wann die saarländische Landesregierung von dem Problem wusste. Die Grünen sowie die Linke im Saarland verlangen umfassende Aufklärung. Der gesamte Vorgang müsse offen und transparent dargelegt werden. Auch die Rolle der damaligen Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer sei zu hinterfragen. „Das ist ein Spiel mit dem Feuer und völlig verantwortungslos. Ich erwarte, dass die Bundeswehr jetzt unverzüglich handelt. An jedem Tag, an dem die Raketen weiter hier lagern, kann sich ihr Zustand verschlechtern und zu einer Selbstentzündung mit womöglich dramatischen Folgen kommen. Der Schutz der Bevölkerung muss jetzt höchste Priorität haben“, sagte Grünen-Politikerin Lisa Becker zu dem „Spiegel“-Bericht.

+++ Update: 18.34 Uhr +++

Inzwischen hat die Bundeswehr Stellung zu dem „Spiegel“-Bericht genommen. Ein Sprecher des Beschaffungsamtes der Bundeswehr erklärte, dass keine akute Explosionsgefahr in den Munitionslagern bestehe. Zwar habe man Undichtigkeiten und geringe Konzentrationen des explosiven Nitroglycerins festgestellt. Die Undichtigkeiten beträfen aber nicht die Raketen selbst, sondern deren Motoren. Das saarländische Innenministerium sei über die Vorgänge noch nicht informiert gewesen. Neue Einzelheiten findet ihr unter: „Bundeswehr: Keine akute Explosionsgefahr von Munition im Saarland“.

Verwendete Quellen:
– Bericht des „Spiegels“
– Bericht von „Tagesschau.de“
– eigene Recherche