Was eine Mauer über Saarbrücker Geschichte verrät

Saarbrücken hat eine unterirdische Burg. Ein geheimnisvoller Ort. Vierzehn Meter unter der Erde versetzen Bauten aus Mittelalter und Renaissance in Staunen. Die Ruine des Roten Turms ist Zeugnis dramatischer Geschehnisse – hier türmt sich im Wortsinne Geschichte.
Teil des Saarbrücker Schlosses
Das Gebiet, auf dem heute das Saarbrücker Schloss steht, war fortwährend im Wandel. Urkundlich belegt ist eine erste Burg schon im Jahr 999. Foto: Unsplash/Mariia Yesionova
Teil des Saarbrücker Schlosses
Das Gebiet, auf dem heute das Saarbrücker Schloss steht, war fortwährend im Wandel. Urkundlich belegt ist eine erste Burg schon im Jahr 999. Foto: Unsplash/Mariia Yesionova

Spurensuche

Was verrät das Gemäuer über seine Vergangenheit? Gemeinsam begaben sich das Historische Museum Saar, das Landesdenkmalamt Saarland und die Archäologie-Professorin Sabine Hornung mit ihren Studierenden von der Universität des Saarlandes auf Spurensuche am Roten Turm: eine Detektivarbeit, die Synergien nutzt.

Eine alte Mauer gibt Museumsdirektor Simon Matzerath Rätsel auf. Sie ist der erhaltene Teil des „Roten Turms“ in der unterirdischen Saarbrücker Burg. Der Rote Turm gilt von alters her als einer der ältesten Teile der Burg. Aber ist dem wirklich so?

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Das Gebiet, auf dem heute das Saarbrücker Schloss steht, war fortwährend im Wandel. Urkundlich belegt ist eine erste Burg schon im Jahr 999. Auf dem Saarfelsen wurde seither gebaut, abgerissen, umgebaut, zerstört, wiedererrichtet und verändert.

„Staufer-Kaiser Friedrich Barbarossa schleifte die Burg im Jahr 1168“, sagt Museumsdirektor Simon Matzerath. „Es ist nicht wirklich bekannt, wieviel er tatsächlich zerstörte, wie viele ihrer Mauern er einreißen ließ oder ob er eher – symbolisch gesprochen – nur die Fahne abknickte“, so der Museumsdirektor weiter. Jede Generation, jeder Krieg drückte der Burg ihren und seinen Stempel auf.

Wie alt ist der Rote Turm?

Und dies zeigt sich an der Mauer des ehemals Roten Turms, mit der offensichtlich etwas nicht stimmt. Seine Steine sind auf eine Art und Weise zum Rund geschichtet, die Matzerath und auch Matthias Paulke vom Landesdenkmalamt verwundert. „So hätte im Mittelalter kein Baumeister gebaut“, sagt Paulke. „Da liegen etwa Fugen in gleicher Flucht – das bedeutet eine Einbuße an Stabilität und wäre eine Schwachstelle bei jedem Angriff gewesen.“ Die massiven Steinquader aus 240 Millionen Jahre altem Sandstein sind fachmännisch behauen und haben ringsum einen präzisen Rand. „Es handelt sich um Buckelquader mit sauber abgeschlagenem Randschlag, die für die Zeit Mitte des zwölften bis Mitte des dreizehnten Jahrhunderts typisch sind“, erklärt Simon Matzerath.

„Zweck des Randes“, merkt Matthias Paulke an, „war eher nicht, zu verhindern, dass feindliche Leitern hochgeschoben werden können, wie es zuweilen heißt, sondern die Bauleute sollten sich beim Aufeinandersetzen der Steine nicht die Finger klemmen.“ Wer solche Steine derart fachmännisch bearbeitet, schichtet sie nicht so, wie es hier zu sehen ist. Offensichtlich: Hier ist etwas passiert.
Aus welcher Zeit datiert sie nun, die Ruine des Roten Turms?

Akribischer Baubefund der Mauer

Zur Lösung dieser Frage wandte sich Simon Matzerath an die Archäologin Sabine Hornung von der Universität des Saarlandes. Zusammen mit fünf ihrer Studierenden begab sie sich auf die Spurensuche. „Die Bauaufnahme des Turms ist für meine Studierenden eine hervorragende Übung“, sagt Sabine Hornung. Das Team erstellte zunächst in Zusammenarbeit mit Linda Sagl, Inhaberin der Firma Archäoplan, ein präzises digitales dreidimensionales Modell mittels zahlreicher überlappender Digitalfotoaufnahmen. Die Studierenden erfassten den Baubefund der Mauer akribisch Stein für Stein, Fuge um Fuge. Mit technischer Hilfe von Linda Sagl wurde die Mauer auch professionell vermessen. Für die Bauaufnahme musste das 3D-Modell in eine zweidimensionale Darstellung „abgewickelt“ werden, wie die Fachleute sagen.

Viele Indizien verraten etwas über die Geschichte der Mauer: wie die Breite der Fugen, das Fehlen von Zangenlöchern, die zu manchen Zeiten verwendet wurden, um die Steine zu bewegen, das Fehlen von Steinmetzzeichen oder sogar römische Ziegel, die verbaut wurden. All solche auf den ersten Blick scheinbar nebensächlichen Einzelheiten können für die Datierung wichtig werden. 3D-Modell und Zeichnung bilden jetzt als wissenschaftliche Dokumentation die Grundlage, auf der eine Auswertung und weitere Arbeit aufsetzen wird, um das Rätsel um die Ruine des Roten Turms zu lösen – und so ein Stück Saarbrücker Stadtgeschichte aus dem Dunkel der Vergangenheit ans Licht zu holen.