Wird Grünen-Beigeordnete Becker in Blieskastel mit AfD-Stimmen endgültig abgewählt?

Wegen eines Vertrauensverlustes soll in Blieskastel die grüne Beigeordnete Lisa Becker abgewählt werden. Am Donnerstag kommt es zum zweiten (und entscheidenden) Wahlgang. Die AfD rückt dabei in den Fokus.
Im Bild: Lisa Becker. Foto: dpa-Bildfunk/Oliver Dietze
Im Bild: Lisa Becker. Foto: dpa-Bildfunk/Oliver Dietze

Wird Grünen-Beigeordnete mit AfD-Stimmen endgültig abgewählt?

In Blieskastel steht an diesem Donnerstag (5. Januar 2023) eine Stadtratsentscheidung an, die weit über die Grenzen der Kommune hinaus Wellen schlagen könnte. Es geht um die zweite Runde zur Abwahl der Grünen-Beigeordneten Lisa Becker (32): Bei der ersten Abstimmung im Stadtrat Ende November 2022 war die für eine Abwahl notwendige Zweidrittelmehrheit von 26 Stimmen nur zustande gekommen, weil drei AfD-Ratsmitglieder auch dafür stimmten.

Wie aus Parteikreisen verlautet, könnten bei dem Votum im zweiten Wahlgang die Stimmen der AfD erneut entscheidend sein. „In Blieskastel könnte am Donnerstag die demokratische Schutzwand gegen Rechts fallen“, teilte die Landesvorsitzende der Grünen im Saarland, Uta Sullenberger, mit. Das Abwahlverfahren gegen Becker, die beim Landtagswahlkampf 2022 als Spitzenkandidatin der Grünen im Rennen war, hatte die Blieskasteler SPD mit anderen Parteien angestoßen.

Rehlinger alarmiert

Auch die saarländische SPD-Landesvorsitzende Anke Rehlinger ist alarmiert: „Die AfD darf nicht das Zünglein an der Waage sein. Es kann nur eine demokratische Mehrheit ohne AfD geben, das ist unbestrittene sozialdemokratische Haltung“, sagte die Ministerpräsidentin der Deutschen Presse-Agentur.

Im Blieskasteler Stadtrat hatte die SPD-Fraktion im Juni vergangenen Jahres die Zusammenarbeit mit den Grünen aufgekündigt. Auslöser des Streits soll eine beleidigende Aussage („Flachzange“) des grünen Fraktionsvorsitzenden gegenüber des Bürgermeisters Bernd Hertzler (SPD) gewesen sein.

„Vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich“

Das Abwahlverfahren gegen Becker wurde dann nach ihrer sommerlichen Urlaubsvertretung für den Bürgermeister initiiert. Sie habe in dieser Zeit „mehrere Entscheidungen von Tragweite eigenmächtig getroffen – auch ohne die mögliche Rücksprache mit mir zu versuchen“, sagte Hertzler der dpa. Dadurch hätten sich seine Bedenken in Bezug auf ihre Loyalität verstärkt. „Auf dieser Grundlage ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich.“

Darum geht es

Konkret geht es laut Becker um zwei Dinge: Zum einen um eine Rechnung aus dem Repräsentationsbudget des Bürgermeisters für ein Volksfest, die sie in der Vertretungszeit abzeichnen sollte. Er habe da rund 1.200 Euro für Bons ausgegeben, das sei ihr „sehr viel“ vorgekommen. Bei der Amtsvorgängerin in den Vor-Corona-Jahren seien es „maximal 100 Euro“ gewesen.

Daraufhin habe sie „eine sachliche Mail“ an Hertzler geschrieben, in dem sie ihm geraten habe, „auch aus rechtlichen Gründen, diese Summe privat zu tragen“. Der Bürgermeister habe später gesagt, das sei eine „bedrohende E-Mail“ gewesen, sagte die Juristin. Ihr war später der Geschäftsbereich Ordnungsamt, Kultur und Tourismus entzogen worden.

Punkt zwei sei ein Gutachten über die Bliesgau-Festhalle gewesen, das „eklatante Mängel“ bei Lüftung und Elektrik aufgezeigte. Sie habe das Gutachten an die untere Bauaufsichtsbehörde weitergegeben. „Für mich war das aufgrund der Mängel angebracht. Es gab für mich da keine Zeit, abzuwarten“, sagte sie. Die Halle war im Dezember wegen Brandschutzmängeln vorübergehend geschlossen worden.

Becker weist Vorwürfe zurück

Becker sagte, sie weise alle Vorwürfe zurück. „Ich habe mich so verhalten, wie man sich verhalten muss. Es ist ja meine Aufgabe, Dinge zu überprüfen“, sagte sie. Einen Rücktritt lehne sie ab: „Wenn Menschen zurücktreten, dann passiert das in der Regel, weil es Fehlverhalten gibt. Und das sehe ich nicht.“

Ende November stimmten im Stadtrat von Blieskastel (Saarpfalz-Kreis) neben den 13 SPD-Mitgliedern neun von insgesamt 12 CDU-Mitgliedern sowie die FDP (1) und AfD (3) dem Abwahlantrag zu. Je drei Mitglieder von CDU und der Unabhängigen/Linken erschienen nicht zur Sitzung. Sieben Grüne stimmten dagegen.

SPD-Stadtratsfraktion ruft alle Mitglieder zur Teilnahme auf

Die SPD-Stadtratsfraktion hat alle Stadtratsmitglieder zur Teilnahme an der Sitzung aufgefordert. Es gebe keinen „sachlichen Grund, der Stadtratssitzung fernzubleiben“ und nicht „nach bestem Wissen und Gewissen“ ein Votum abzugeben, sagte Fraktionschef Achim Jesel.

Auf die Frage, ob er für eine Abwahl auch in Kauf nehmen würde, dass diese nur mit den Stimmen der AfD zustande komme, antwortete Hertzler: „Die Abwahl liegt nicht in meinen Händen, sondern ausschließlich in der Zuständigkeit des Stadtrates in seiner Gänze.“

„Dammbruch im Saarland“

Ihre Abwahl mit den Stimmen der AfD wäre „ein Dammbruch im Saarland“, sagte Becker. „Die SPD, die sich seit Jahrzehnten ihre antifaschistische Vergangenheit auf die Fahne schreibt, kann sich das meiner Ansicht nach nicht leisten.“

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur