Warum Männer öfter krank werden

Herbstzeit heißt für viele auch Ansteckungszeit. Das Klischee, dass Männer sich häufiger anstecken, ist dabei gar nicht mal so falsch.
Symbolfoto: Andreas Gebert/dpa-Bildfunk.
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Es hält sich hartnäckig das Klischee vom Mann, der bei einer kribbeligen Nase und leichtem Halskratzen gleich schwere Qualen erleidet.

Doch während sich die männliche Furcht vor kleinsten Erkältungen in jedem Herbst als vergnügliches Smalltalk-Thema eignet, bleiben die Ursachen für den sogenannten „Männerschnupfen“ ungeklärt. Könnte am Klischee wissenschaftlich etwas dran sein? Werden Männer tatsächlich leichter oder stärker von Erkältungs- und Grippeviren angegriffen als Frauen?

Männer werden öfter krank
Wer solchen Fragen nachgeht, landet früher oder später bei Beatrix Grubeck-Loebenstein. Die Immunologin von der Universität Innsbruck untersucht seit Langem, wie sich die Immunsysteme von Frauen und Männern unterscheiden. Ihre Ergebnisse geben all jenen Männern Hoffnung, die sich in ihrer Angst vor Schnupfen und Fieber von der Frauenwelt nicht ernstgenommen fühlen. „Grob vereinfacht lässt sich feststellen, dass Männer durch die Unterschiede in der Immunantwort häufiger krank werden können als Frauen„, sagt Grubeck-Loebenstein.

Um die Schwäche des starken Geschlechts zu verstehen, muss man in die Tiefen des menschlichen Immunsystems eintauchen. Dringen Krankheitserreger in den Körper ein, werden sie durch körpereigene Immunzellen bekämpft. Es gibt grundsätzlich zwei Arten dieser Helfer in der Not: spezifische und unspezifische Immunzellen.

Erstere sind nur gegen ganz bestimmte Krankheitserreger wirksam – sie sind quasi die Experten auf ihrem Gebiet. Müssen zum Beispiel Grippeviren bekämpft werden, kommen andere spezifische Immunzellen zum Tragen als bei einer Herpesinfektion. Auf diese Weise kann sich der Mensch gegen eine Vielzahl von Viren, Bakterien oder Parasiten zur Wehr setzen.

Doch die Vielfalt der spezifischen Immunzellen hat einen Haken: Von diesen Experten gibt es im Körper jeweils nur eine geringe Menge. Um eindringende Krankheitserreger tatsächlich besiegen zu können, müssen sie sich millionenfach vermehren. Und genau hier kommt der Unterschied zwischen Frauen und Männern zum Tragen.

Das ist der Unterschied
Während das weibliche Hormon Östrogen die Vermehrung der spezifischen Immunzellen unterstützt, wirkt sich das männliche Hormon Testosteron genau gegenteilig aus. „Östrogen stimuliert das Immunsystem, Testosteron hingegen unterdrückt es. Das Immunsystem von Frauen reagiert deshalb schneller und aggressiver gegen Krankheitserreger als das von Männern„, erklärt Marcus Altfeld vom Heinrich-Pette-Institut in Hamburg. Hinzu kommt: Je höher der Testosteron-Spiegel ist, desto mehr wird das männliche Immunsystem geschwächt. Echte Kerle trifft es also noch härter.

Über die Ursachen dieses Unterschieds zwischen den Geschlechtern können die Forscher nur vage Aussagen machen. Altfeld verweist darauf, dass sich das menschliche Immunsystem über Jahrmillionen entwickelt habe. Eine mögliche Erklärung müsse daher weit zurückblicken: „Unsere Vorfahren in der Steinzeit lebten in gemeinsamen Höhlen und setzten sich Gefahren aus. Die Aufgabe des weiblichen Immunsystems war es schon damals, das ungeborene oder neugeborene Kind besonders zu schützen.“

Weitere Faktoren entscheidend
Dieser Zusammenhang könnte auch den Einfluss der Hormonaktivität erklären. „Der Effekt des durch Östrogen gestärkten Immunsystems ist bei jungen Frauen ab der Pubertät besonders ausgeprägt und wird bei Frauen nach der Menopause schwächer“, erklärt Grubeck-Loebenstein.

Doch die Anfälligkeit allein mit dem Testosteron-geschwächten Immunsystem zu erklären, würde zu kurz greifen. „Auch weitere Faktoren spielen eine Rolle, die sich stärker auf das Verhalten und die Umwelt beziehen. Männer leben immer noch risikoreicher, sie ernähren sich ungesünder und sie lassen sich weniger diszipliniert impfen“, sagt Grubeck-Loebenstein. Kurzum: Gänzlich können sich Männer nicht auf die Natur berufen – sie haben ihr Schicksal zumindest teilweise selbst in der Hand.