Tödliche Schüsse auf 20-Jährigen in Idar-Oberstein: Streit um Gutachter – Verteidigung spricht von Befangenheit

Die tödlichen Schüsse auf einen 20-Jährigen in einer Tankstelle im Streit um die Maskenpflicht hatten bundesweit für Entsetzen gesorgt. Nun verzögert sich der Prozess, denn der Verteidiger hält einen Gutachter für befangen.
Im Prozess um den mutmaßlichen Tankstellen-Mord in Idar-Oberstein hat die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen einen Gutachter gestellt. Foto vom Prozess: picture alliance/dpa/dpa Pool | Sebastian Gollnow
Im Prozess um den mutmaßlichen Tankstellen-Mord in Idar-Oberstein hat die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen einen Gutachter gestellt. Foto vom Prozess: picture alliance/dpa/dpa Pool | Sebastian Gollnow

Prozess um Tankstellen-Mord in Idar-Oberstein: Verteidigung stellt Befangenheitsantrag gegen Gutachter

Im Prozess um die tödlichen Schüsse an einer Tankstelle in Idar-Oberstein sind die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung nun doch nicht vor August zu erwarten. Der Grund: Der Verteidiger des Angeklagten stellte am heutigen Montag (18. Juli 2022) vor dem Landgericht Bad Kreuznach einen Befangenheitsantrag gegen den psychiatrischen Gutachter. Der 50-jährige Angeklagte mit deutscher Staatsangehörigkeit wird beschuldigt, Mitte September vergangenen Jahres einen 20 Jahre alten Tankstellen-Mitarbeiter erschossen zu haben, weil dieser ihn aufgefordert hatte, sich an die Maskenpflicht zu halten.

Prozess wird erst im August fortgesetzt

Über den Befangenheitsantrag wird das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden, nachdem Staatsanwaltschaft und Gutachter Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt haben. Die Verhandlung wird am 1. August 2022 fortgesetzt.

Gutachter geht von voller Schuldfähigkeit des Angeklagten aus

Der Gutachter war in einem früheren Prozesstermin vernommen worden. Er hatte dem Angeklagten volle Schuldfähigkeit attestiert und keine Hinweise auf eine krankhafte seelische Störung, verminderte Intelligenz oder andere Beeinträchtigungen festgestellt. „Der Sachverständige hat in seinem mündlichen Gutachten erkennen lassen, dass er dem Angeklagten möglicherweise voreingenommen gegenübersteht“, sagte der Verteidiger.

Das wird dem Angeklagten vorgeworfen

Laut Ermittlungen hatte der Angeklagte am 18. September vergangenen Jahres an der Tankstelle Bier kaufen wollen, was ihm der Mitarbeiter verwehrte, weil der Mann keine Maske trug. Nach einer Diskussion mit dem Schüler, der als Aushilfe dort jobbte, soll er die Tankstelle zunächst ohne Bier verlassen haben. Den Alkohol soll er sich in einer anderen Tankstelle besorgt haben. Dann fuhr er nach Hause, holte einen geladenen Revolver und kehrte in die erste Tankstelle zurück. Dort soll er aus kurzer Distanz geschossen haben.

Gutachter: Angeklagter soll Alkoholisierung gewohnt gewesen sein

Der Gutachter war unter anderem trotz einer starken Alkoholisierung des Angeklagten zum Tatzeitpunkt von einer vollen Schuldfähigkeit ausgegangen. Dies hatte er auch damit begründet, dass der Angeklagte zur Tatzeit keine relevanten Koordinations- oder Sprachstörungen gehabt habe. Daraus schloss der Gutachter, dass der Angeklagte viel Alkohol gewohnt sei – was die Verteidigung in ihrem Befangenheitsantrag am Montag als Unterstellung zurückwies. Die Verteidigung erwägt nun, ein neues Gutachten hinsichtlich der Schuldfähigkeit zu beantragen.

Gutachter verneint „Affekttat“

Bei dem mutmaßlichen Vorgehen des Angeklagten war der Gutachter auch nicht von einer Affekttat ausgegangen. Aus seiner Sicht stand die Tat am Ende einer längeren Entwicklung, in der der Angeklagte sich mit Blick auf die Corona-Pandemie weiter radikalisiert habe. So sah es auch ein früher im Prozess vernommener Gefängnispsychologe, der zudem von Reue und einem Suizidversuch des Angeklagten im Gefängnis berichtet hatte.

Die Auswirkungen einer verminderten Schuldfähigkeit

Rechtlich kann sich die Frage der Schuldfähigkeit konkret auf den Strafrahmen auswirken. Wäre der Angeklagte nur vermindert schuldfähig, hätte das Gericht im Falle einer Verurteilung wegen Mordes die Möglichkeit, die Strafe zu mildern.

Verwendete Quellen:
– Deutsche Presse-Agentur