Diese Grundlage haben die Corona-Entscheidungen für Schulen im Saarland: Bildungsministerin Streichert-Clivot legt Termine mit Experten offen
Corona-Maßnahmen in saarländischen Schulen umstritten
In den vergangenen Monaten wurde viel über die Corona-Beschränkungen in den Schulen im Saarland diskutiert. Vor allem, als die Omikron-Welle im Dezember und Januar so richtig an Fahrt aufgenommen hatte, wurden Forderungen nach weiteren Schutzvorkehrungen lauter. Dabei wuchs auch die Kritik an Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot. So warf der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband (SLLV) der Ministerin beispielsweise vor, dass diese die Schulen „um jeden Preis offen halten“ wolle.
Eltern aus dem Saarland verlangen von Bildungsministerin, ihre Termine offenzulegen
Streichert-Clivot wehrte sich gegen die Kritik mehrmals mit der Erklärung, dass sie sich im „ständigen Austausch mit Expertinnen und Experten“ befinde und dass unter anderem darauf ihre Entscheidungen beruhten. Das tat sie auch in einem Interview mit dem „SR“ zum Schulstart nach den Winterferien am 4. Januar 2022, als die Forderungen nach angepassten Corona-Regelungen immer lauter wurden. Das Bildungsministerium änderte damals nichts an seinen Schutzvorkehrungen in den Schulen. Daraufhin hatten sich Eltern zusammengeschlossen, um über die Internetplattform „Frag den Staat“ eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Das Ziel: Die Bildungsministerin soll sämtliche Termine offenlegen, an denen sie sich mit Expert:innen ausgetauscht hatte. Die Anfrage wurde am 24. Januar 2022 eingereicht und ist an dieser Stelle noch online abrufbar: „Anfrage an saarländisches Bildungsministerium: Austausch mit Expertinnen und Experten während der Coronapandemie“.
Streichert-Clivot macht ihren Terminkalender transparent
Rund zwei Monate nach Eingang der Anfrage machte Bildungsministerin Streichert-Clivot in der vergangenen Woche nun transparent, wann sie sich mit Fachleuten getroffen hatte. Auch eine entsprechende Excel-Datei ist bei „Frag den Staat“ abrufbar. Diese zeigt alle Termine der Ministerin mit Expert:innen vom 1. November 2021 bis März 2022. Damit ist also zumindest im Ansatz nachvollziehbar, auf welchen Gesprächen mit Expert:innen die Corona-Regeln in den Schulen während der Omikron-Welle beruht hatten.
Wenig Austausch mit Expert:innen während der brisanten Omikron-Phase im Januar
Wie aus dem Terminkalender ersichtlich wird, hatte sich Bildungsministerin Streichert-Clivot innerhalb von vier Monaten insgesamt 14 Mal mit Expert:innen ausgetauscht. Darunter waren sechs Schalten mit dem saarländischen Gesundheitsministerium. Ob es sich dabei lediglich um Routinegespräche handelte oder ein tieferer Expertise-Austausch stattgefunden hatte, ist aus dem Dokument nicht ersichtlich. Auch lässt sich darüber streiten, ob bei 14 Terminen in vier Monaten, also bei 3,5 Terminen pro Monat, noch von einem „ständigen“ Austausch mit Expert:innen die Rede sein kann.
Was jedenfalls bei rückwirkender Betrachtung auffällt: Gerade in der „heißen Phase“ der Winterwelle im Januar fand stellenweise fast drei Wochen überhaupt kein solcher Termin statt. So bleibt der Terminkalender der Bildungsministerin hinsichtlich eines Expertenaustauschs zwischen dem 5. Januar 2022 bis zum 24. Januar 2022 komplett leer. Und das, obwohl Streichert-Clivot noch am 4. Januar 2022 in einem Interview betont hatte, dass sie sich in einem „ständigen Austausch mit Expertinnen und Experten“ befinde.
Zur Erinnerung: Zwischen dem 5. und dem 25. Januar 2022 mussten bereits komplette Kitas (Beispiel 12. Januar 2022: „Komplette Kita in Saarbrücken wegen Corona dicht“) und Schulen (Beispiel 19. Januar 2022: „Komplette Schule im Saarland wegen massenweiser Corona-Fällen geschlossen“) im Saarland wegen zu vielen Corona-Infektionen geschlossen werden. Bis zum 18. Januar 2022 war jede zweite Schule von Corona-Fällen betroffen. Auch in den Kitas hatten sich die Corona-Fälle innerhalb kurzer Zeit verdoppelt. Es verwundert also durchaus, dass die Bildungsministerin ausgerechnet in diesem Zeitraum auf ihren „ständigen Austausch mit Expertinnen und Experten“ verzichtet hatte.
Corona-Entscheidungen bleiben wenig transparent
Insgesamt bleiben die Corona-Entscheidungen für die Schulen und Kitas im Saarland auch nach Veröffentlichung des Terminkalenders der Bildungsministerin nur wenig transparent.
Das bemängelt auch Achim Domma, der die Anfrage über die Plattform „Frag den Staat“ eingereicht hatte. In seinem Blog schreibt er: „Frau Streichert-Clivot hat quasi unbegrenzte Freiheit, in allen lokalen Medien beliebige Behauptungen zu verbreiten, ohne jemals eine kritische Nachfrage fürchten zu müssen. Als Eltern hatten wir auch hier versucht, an Details zu kommen. […] Unterm Strich bleibt der Eindruck, dass Frau Streichert-Clivot sich ausschließlich auf die Meinung einiger lokaler Kinderärzt:innen bezieht, wenn sie von ‚Experten‘ redet. Die Meinung dieser Ärzt:innen basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und wird von Kolleg:innen teilweise scharf kritisiert“. Mehr dazu unter: „Corona, Noten & Freiheit“.
Auch der Saarländische Lehrerinnen- und Lehrerverband wünscht sich vom Bildungsministerium mehr Transparenz hinsichtlich der Corona-Entscheidungen. Erst vor wenigen Wochen schloss sich die Organisation den zwölf Forderungen des Verbands „Bildung und Erziehung“ an. Darin heißt es direkt unter Punk 1: „Die Politik muss für alle an Schule Beteiligten transparent und nachvollziehbar machen, auf welcher wissenschaftlichen Basis sie welche Entscheidungen getroffen hat!“. Die ganze Mitteilung hierzu findet ihr unter: „Vor die Welle kommen! 12 Lehren aus Corona“.
Verwendete Quellen:
– Terminplan des Bildungsministeriums von Ministerin Streichert-Clivot
– Anfrage bei „Frag den Staat“ vom 24. Januar 2022
– Mitteilung des Saarländischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (SLLV) vom 17. März 2022
– eigene Berichte