Krankenpfleger (29) wegen mehrfachen versuchten Mordes in saarländischen Kliniken angeklagt

Die Staatsanwaltschaft in Saarbrücken hat Anklage gegen einen 29-jährigen Krankenpfleger erhoben. Ihm wird versuchter Mord in fünf Fällen sowie zweifache gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Der ausgebildete Gesundheits- und Krankenpfleger war von Anfang 2015 bis Frühjahr 2016 in der SHG-Klinik in Völklingen tätig. Im Anschluss arbeitete er in der Uniklinik in Homburg. In beiden Krankenhäusern wurde er auf der Intensivstation eingesetzt.

Pfleger soll nicht verordnete Medikamente verabreicht haben

Dort soll der 29-Jährige stationär behandelten Patient:innen Herz-Kreislauf-Medikamente verabreicht haben, die nicht ärztlich verordnet und nicht indiziert waren. Dabei sei ihm die Wirkweise jedoch bewusst gewesen. Die Verschlechterung des Gesundheitszustandes und auch den Tod der Patient:innen habe er billigend in Kauf genommen.

29-Jähriger habe als Held gelten wollen

Der Krankenpfleger habe die Absicht verfolgt, einen reanimationspflichtigen Zustand herbeizuführen. Durch die selbst durchgeführten Wiederbelebungsmaßnahmen habe er sich „emotionale Befriedigung sowie Anerkennung“ von Kolleg:innen und Ärzt:innen verschaffen wollen, so die Staatsanwaltschaft. Dementsprechend sei er in einzelnen Fällen an den Reanimationsmaßnahmen beteiligt gewesen.

Vier Fälle in Völklingen, einer in Homburg

In der SHG-Klinik soll es zu vier solcher Taten gekommen sein, zu einer weiteren in der Uniklinik. Bei den Patient:innen handelte es sich um zwei Frauen im Alter von jeweils 77 Jahren sowie drei Männer im Alter von 31, 58 und 81 Jahren.

Anklage lautet auf versuchten Mord und Körperverletzung

Eine Patientin und ein Patient überlebten die Taten. In den übrigen Fällen habe sich der Zusammenhang zwischen der Verabreichung der Medikamente und dem Versterben nicht nachweisen lassen. Daher wird dem Krankenpfleger lediglich der Versuch eines Tötungsdeliktes vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft sieht jedoch die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe als erfüllt an. Die Anklage lautet demnach auf versuchten Mord.

Bei einer Patientin und einem Patienten soll sich allerdings der Gesundheitszustand durch die Medikamente nachweislich deutlich verschlechtert haben. Daher geht die Staatsanwaltschaft von Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung durch Vergiftung sowie Tatbegehung durch lebensgefährliche Behandlung aus.

Der Angeklagte hat sich bislang nicht geäußert

Der 29-Jährige habe sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die Taten sollen vor allem durch die Angaben von zahlreichen Zeugen und die Vorlage von Dokumenten, insbesondere aus Personal- und Patientenakten nachgewiesen werden. Zudem sollen Sachverständige aus Toxikologie, Rechtsmedizin und Psychiatrie Gutachten erstatten.

Krankenpfleger droht eine lebenslange Freiheitsstrafe

Der Beschuldigte verbüßt derzeit eine mehrjährige Haftstrafe in anderer Sache. Mit der Anklageerhebung wurde der Erlass eines Haftbefehls beantragt. Die Entscheidung des Landgerichts steht jedoch noch aus. Sollte der Pfleger verurteilt werden, droht ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe sowie die Unterbringung in Sicherheitsverwahrung.

29-Jähriger gab sich als Arzt aus – Ermittlungen in Homburg

Die Ermittlungen gegen den Krankenpfleger kamen 2016 in Gang, nachdem sich der Beschuldigte mehrfach in anderen Kliniken als Arzt ausgegeben haben soll. Dadurch kam es zum Kontakt zwischen den Ermittlungsbehörden und der Universitätsklinik in Homburg, wo der heute 29-Jährige erst seit Kurzem beschäftigt war.

Zunächst ermittelte die Staatsanwaltschaft daher in dem Fall an der Uniklinik. Intern war festgestellt worden, dass der betroffenen Patientin Medikamente verabreicht worden waren, die nicht nachvollziehbar waren. Die Ermittlungen wurden darauf auf Fälle ausgeweitet, in denen während oder kurz nach den Dienstzeiten des Krankenpflegers Akutlagen oder der Tod von Patient:innen eintraten.

Insgesamt zehn Fälle – Sieben Menschen exhumiert

Neben den fünf Fällen, in denen es nun zur Anklage kommt, waren eine weitere Patientin und vier weitere Patienten betroffen. Im Zuge der Ermittlungen wurden die Leichname von insgesamt sieben Menschen exhumiert und Autopsien unterzogen.

Bei drei Patienten reichte der Tatverdacht nicht aus, da sich die Verabreichung der Medikamente nicht nachvollziehen ließ oder diese zwar nachgewiesen wurden, aber möglicherweise auf ärztliche Anordnung eingenommen worden waren. In diesen Fällen wurden die Ermittlungen eingestellt.

Hinsichtlich einer Patientin und eines Patienten werden die Ermittlungen in einem gesonderten Verfahren fortgeführt. In den beiden Fällen konnten die maßgeblichen Substanzen zwar festgestellt werden. Es muss jedoch noch abschließend geklärt werden, ob diese ärztlich verordnet worden waren.

Feuerbestattungen: Weitere Verdachtsfälle nicht nachvollziehbar

In zwei weiteren Verfahren wurden Verdachtslagen bei insgesamt 21 Patient:innen überprüft. Sie mussten jedoch mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt werden. Betroffen sind drei überlebende und 18 verstorbene Patient:innen. Weitergehende Untersuchungen waren in den meisten Fällen aufgrund von Feuerbestattungen nicht mehr möglich. Überwiegend hatten sich die Vorfälle an der SHG-Klinik ereignet, die Übrigen in der Uniklinik.

Bisherige Berichte zum mordverdächtigen Krankenpfleger

13.08.2020: Saar-Pfleger unter Mordverdacht: Ermittlungen dauern an
05.09.2019: Mordverdächtiger Pfleger Daniel B. wohl psychisch krank
02.09.2019: Krankenpfleger Daniel B. unter Mordverdacht – Neue Ermittlungen in Hessen
01.09.2019: Patientenschützer fordern Konsequenzen
31.08.2019: Weitere Details zu Todesfällen in Klinik Völklingen bekannt
30.08.2019: Mordermittlungen an Völklinger Klinik: Krankenpfleger soll schwerstkranke Patienten getötet haben

Verwendete Quellen:
– Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Saarbrücken